Neue Studie zur Vergleichbarkeit von Schulnoten aus 2024
1. April 2024
Sollten Schulnoten abgeschafft werden?
Schulnoten werden seit Jahren kontrovers diskutiert. Eine neue Studie der Universität Tübingen und des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), das zur Humboldt-Universität Berlin gehört, zeigt: Schulnoten sagen so gut wie nichts über das tatsächliche Können von Schüler:innen aus.
Warum es Noten gibt
Dass man Leistungen von Schülerinnen und Schülern bewertet, hat eine lange Tradition bis in das 16. Jahrhundert hinein. Die allererste Form einer Schulnote war die Beurteilung auf einer Skala von gut bis schlecht in drei Stufen. 1938 setzte sich schließlich das sechsstufige Benotungssystem durch. Es gibt nämlich einige Gründe dafür, Schulnoten zu vergeben:
Zum einen sind Noten eine Möglichkeit, Leistungen von Schüler:innen zusammenzufassen und vereinfacht abzubilden. Durch das Herunterbrechen von Leistungen auf eine Note kann es jedoch zum Informationsverlust kommen.
Zum anderen kann eine Schulnote auch einen pädagogischen Wert haben: Lehrerinnen und Lehrer können mit Noten Rückmeldungen über den Leistungsstand der Schüler:innen geben. Dies verschafft auch Eltern einen besseren Überblick. Außerdem sollen Noten Schülerinnen und Schüler dazu motivieren, sich zu verbessern und am Ball zu bleiben.
Trotzdem werden Schulnoten in Bezug auf ihre Vergleichbarkeit und Bedeutung immer wieder diskutiert. Einige Bildungsexpert:innen sind schon längere Zeit der Meinung, Noten sollten in der Schule grundsätzlich abgeschafft werden.
Beispielsweise ist im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus Clausus in Medizin von 2017 die mangelnde Vergleichbarkeit des Abiturs der einzelnen Bundesländer angeprangert worden. Die Richterinnen und Richter bezogen sich damals auf eine Statistik der Kultusministerkonferenz, die bis heute erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern aufzeigt.
Dies ist nur eines von vielen Beispielen, warum die Debatte um Schulnoten schon lange besteht. Die Autorinnen und Autoren der Studie nahmen die Diskussion zum Anlass, die Vergleichbarkeit von Schulnoten genauer zu untersuchen.
Ergebnisse der Studie
Für die Studie verglich ein Team um die Bildungsforscher Nicolas Hübner und Malte Jansen die Leistungen von mehr als 55.000 Neuntklässler:innen mit ihren Schulnoten. Die Daten nahmen sie aus den IQB-Bildungstrends von 2015 und 2018. Die Untersuchungen bezogen sich dabei auf die Schulfächer Mathematik und Englisch. Es wurden Kompetenztests und Fragebögen eingesetzt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Schülerinnen und Schüler, obwohl sie die gleichen Schulnoten hatten, substantielle Unterschiede in ihren Kompetenzbereichen aufwiesen. Andersherum gilt das genauso. Bei einem ähnlichen Leistungsniveau bekamen die untersuchten Schüler:innen teilweise völlig unterschiedliche Noten. In Englisch deckte sich die Schulnote bei nur 19 Prozent der Jugendlichen mit der gezeigten Leistung im Bildungstrend-Test – in Mathematik bei 27 Prozent.
Außerdem stellte sich heraus, dass diese Unterschiede vor allem durch Unterschiede zwischen den Schulen innerhalb eines Bundeslandes und innerhalb derselben Schulen erklärt werden konnten – weniger durch Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern.
Die Autorinnen und Autoren der Studie gaben für diese gravierenden Unterschiede u.a. diese möglichen Gründe an:
- In Noten können sich Beurteilungsfehler einschleichen, da es sich oft um die persönliche Einschätzung der Lehrkraft handelt und nicht die „wahre“ Leistung genau abbildet.
- Es kommt auf die Klasse an: Bei der Vergabe von Noten wird der Leistungsstand der Klasse berücksichtigt.
- Auch individuelle Faktoren und Persönlichkeitsmerkmale, wie Gewissenhaftigkeit oder Fleiß, haben oft großen Einfluss auf die Bewertung.
- In Noten spiegeln sich meist die Entwicklungen der Schüler:innen wider: Noten werden im Vergleich zu vorherigen Leistungen vergeben und nicht mit einem objektiven, standardisierten Verfahren.
- Bundesländer haben zur Notenvergabe oft unterschiedliche Vorgaben: Beispielsweise sollte in Berlin bei der Leistungsbeurteilung immer auch der individuelle Entwicklungsprozess berücksichtigt werden, während dies in Baden-Württemberg nicht vorgeschrieben ist.
Die Diskussion über Schulnoten
Diese Studie dürfte die lang bestehende Debatte über die Notwendigkeit von Schulnoten wieder neu entfachen. Jedoch muss erwähnt werden, dass die Studie sich ausschließlich auf Neuntklässler:innen bezieht und die Untersuchung dadurch bei der Interpretation und Übertragbarkeit Grenzen aufweist. Außerdem stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll und notwendig ist, Schulnoten übergreifend zu vergleichen.
Wenn man Noten nämlich hauptsächlich als Werkzeug des Mikromanagements innerhalb einer Klasse begreift, um Rückmeldungen und Motivation zu ermöglichen, wäre eine bundesweite Vergleichbarkeit hinfällig. Dies entspricht jedoch nicht der Realität, denn Noten ebnen und bestimmen den Weg von Schülerinnen und Schülern in ihrer Schulkarriere.
Noten entscheiden auch darüber, welche weiterführende Schule oder berufliche Zukunft Schüler:innen offenstehen. Ferner entscheidet bei vielen Studienfächern der NC (Numerus Clausus) darüber, ob ein Abiturient:innen einen bestimmten Studienplatz bekommen oder nicht.
Die Forscher:innen betrachten es als nahezu unmöglich, Noten vollständig vergleichbar zu machen. Die Einführung von standardisierten Leistungstests könnte laut ihnen eine Lösung darstellen.
Unsere Meinung:
Die Vergabe von Noten unterliegt leider sehr häufig subjektiven Einflüssen. Ferner unterscheiden sich die Lehrpläne von Bundesland zu Bundesland. Auf Noten gänzlich zu verzichten, erachten wir jedoch für nicht zielführend, da sie auch die Schülerinnen und Schüler motivieren können, auf gute Noten hinzuarbeiten. Gerade während der, von manchen Bundesländern praktizierten, „notenfreien“ Zeit in der Corona-Pandemie konnten wir beobachten, wie Kinder aufhörten zu lernen und zu üben. Noten können somit Erfolge sein und ohne Erfolge fehlt jegliche Motivation. Schlechte Noten können für Schüler:innen dagegen ein wichtiger Indikator sein, mehr für das Fach zu lernen und sich anzustrengen.
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